Rede von Thomas K. Müller zu der Ausstellung : Ursula Strozynski – unterwegs – eröffnet am 11.5.2010


Liebe Ursula Strozynski, sehr geehrte Galeristin, liebe Kunstfreunde

Stichwort: Stadtlandschaft, das sich auf den meisten, hier ausgestellten Arbeiten Stadtlandschaften befinden, falls der Begriff Stadtlandschaft überhaupt und prinzipiell verwendbar ist, haben Sie mit Sicherheit bereits bemerkt. Was Stadt mit Landschaft zutun hat, außer das sie gemeinsame Grenzen besitzen, wo die eine endet, fängt die andere an, ist eine andere Frage.

Jedenfalls ist die Stadt oder besser gesagt das Gebaute mit seinem Formenreichtum: Giebel, Dächer, Brücken, Plätze usw. Gegenstand der ausgestellten Arbeiten.

...um der Gefahr zu entgehen, Sie durch Bildbeschreibungen zu langweilen, oder mich in Gemeinplätzen zu Schönheit und Grauenhaftigkeit von Städten zu verlieren, möchte ich, für meine Annäherung an die Bilder von Ursula Strozynski, auf eine andere Rezeptionstechnik zurückgreifen:

Für den Biologen, der ein Flurstück analysieren will, gibt es die Möglichkeit die vorhandene Flora und Fauna oder eben die nicht vorhandene Flora und Fauna zu beschreiben, um daraus, seine Erkenntnisse und Rückschlüsse über die Besonderheit dieses Lebensraumes zu ziehen.

Warum wächst auf der einen Wiese die Pechnelke und das rundknollige Knabenkraut oder der Gemeine Elfenstängel und nicht die Ackerkratzdistel und der schmalblättrige Hohlzahn. Ein riesiger Analyseraum.
Ferropolis II - U. Strozynski
Dies bedeutet, übertragen auf die künstlerischen Arbeiten von Ursula Strozynski nicht , wo ist der Elfenstengel und das Knabenkraut, sondern : wie ich finde wo ist der Mensch? Ebenfalls, ein riesiger Analyseraum.
Hierzu einige Mutmaßungen: Sie kann keine zeichnen oder Sie folgt dem biblischen Bildnisverbot, will ich ausschließen.


Also erste These:
Er ist noch nicht da, ist Unfug also ist ER weg, der Mensch, Die Künstlerin verwendet die Perspektive eines Anthropologen im posthumanen Zeitalter der Siedlungsreste, Werkzeuge, tolle Ingenieurleistungen, aberwitzige Zivilisationsspuren vorfindet, dokumentiert diese, fertigt Abbildungen unterschiedlichster Techniken an, um sich dann per Zeitreise unter uns zu mischen und uns diese vor die Nase zuhalten. und wir: wir schauen und schauen, auf unsere Behausungen, unsere Hinterlassungen, hier eine Brücke dort ein Gaswerk und finden es eigentlich ganz schön hier, und freunden uns mit uns an, statt uns zu fragen, warum wir ausgestorben sind.

2. Mutmaßung:
diese ist leider eine Kunsttheoretische Binsenweisheit, doch, auch dieser will Platz eingeräumt sein.

Das Kunstwerk muss den Gegenstand über den es spricht nicht zwangsläufig abbilden, sondern im Gegenteil, es sollte es möglichst vermeiden, will es als ein raffiniertes wahrgenommen werden, Stichwort Gleichnis, Metapher, damit sind nicht, die aus unseren Stadtbild fast verschwundenen Monomentalskulpturen gemeint, die, statt von den Lebensleistungen der dargestellten zu berichten, also Marx, Lenin, Thälmann, ehr eine Aussage über den Größenwahn ihrer Auftraggeber treffen. Dies ist keine Gleichnis, sondern absurdes Ideologie-Theater. Wie man an den Bewohnern der Osterinseln bereits hätte sehen können : um so größer die Skulpturen umso näher das politische Ende.

Aber zurück zu Metapher und Gleichnis.
Ursula Strozynski spricht möglicherweise nicht von dem abgebildeten Brotkombinat, sondern von unserem Umgang mit Lebensmitteln und dem Welthunger, nicht von der abgebildeten S-Bahn Anlage, sondern von unserem Reiseverhalten, Stichwort co2 Bilanz, die leeren Strassen und Plätze verweisen auf die riesige Leere in uns, hervorgerufen durch falsches Konsumverhalten. Diesen -Konzeptionellen Ansatz - müssen wir verwerfen, weil US bereits so arbeitete, bevor diese Kulturtechnik gängige Praxis wurde.

Wenn ich nicht genau wüsste, dass das Gegenteil von dem richtig ist, würde ich mich nicht getrauen diese 3.These in den Raum zu stellen:

Sie ist massiv empathiegestört und findet Ihn, den Menschen nicht wert bearbeitet bzw verarbeitet zu werden, einer Zuwendung Ihrer nicht würdig. geschweige denn, der Verschwendung von Arbeitsmaterialien, Zeit und Kraft. Sie interessiert sich nicht für die ganzen Sozialkatastrophen um uns und in uns. Es lässt sie völlig unberührt das Elend der Ungerechtigkeit auf dieser Welt.

Nein, und damit komme ich der Wahrheit möglicherweise am nächsten, das genaue Gegenteil ist richtig: Ursula Strozynski ist ein Naturereignis an Menschsein, es gibt keine Blume, keinen Schmetterling dieser Welt, geschweige denn einen Mensch in Freud und Leid, dem sie sich nicht nah und verbunden fühlt. Ein Wunder an Einfühlung und Mitleidenschaft.

Schriftsteller sprechen gern über die Poetik ihres Schreibens, also der Suche nach dem Wesen, der Funktion und dem Sinn ihres Schreibens, adäquat könnte man bei Ursula Strozynski sagen, das Wesen ihrer künstlerischen Tätigkeit besteht darin sich Pausen vom Menschsein zu verschaffen, Urlaub von sich und uns zu nehmen, sich zeitweise zu befreien von den Wirren und Abgründen, der Komplexität, des sowohl -als -auch der menschlichen Existenz, eine Auszeit nehmen, um sich Dächern, Häusern, Gittern, Senkrechtem, Vertikalem, rhythmisch Strukturiertem, zu widmen, eigentlich allem, nur bitte keine Menschen, am liebsten Konstruktives, aus Stahl, Glas, Maschinenhallen, Strommasten, Oberleitungen, Geschraubt, genietet, scharfe Kanten, schwarze Konturen vor weiß, die kalte Nadel geführt wie das Skalpell des Pathologen. ein Homo faber, erbarmungslos sachlich, bewandert befriedete Areale des rechten Winkels.

Die Kunst als Überlebensstrategie sowieso, die Reduzierung als Bewältigungsform der Vielfalt, das Atelier ein Meditationsraum, ein Fluchtraum vor dem Draußen, dem Dschungel der Varianten und Möglichkeiten, dem Unkontrollierbarem, der wuchernden organischen Opulenz, des permanenten Sterbens und Geborenwerdens, der ganz normalen Lebenshölle.

Somit sind die Bilder und Grafiken von Ursula Strozynski Grußpostkarten aus ihrem Refugium der Revitalisierung, es sind Dokumente der Rückversicherung auf die definierten Tatbestände unserer Existenz .....
.... der Rest bleibt zu prüfen, nur Mutmaßungen und alle Fragen offen
......ein riesiger Analyseraum.

Ich wünsche der Ausstellung viel Erfolg.

Vielen Dank!